Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
My Darling Clementine – einziges Klubkonzert in Deutschland 15.03.2024 Die beiden ersten Monate des Jahres haben es mir leicht gemacht, auf Konzerte zu verzichten. Nichts war dabei, was mich wirklich gereizt hätte und wenn, hätte ich mehr Zeit auf der Piste verbringen, als im Konzertraum sitzen sollen. Sprit kostet ja bekanntlich noch Geld, Übernachtungen sind nicht für lau zu haben und Künstler wollen auch leben. Das läppert sich! Also hatte ich eine äußert ruhige Auszeit zum Rentnern. Doch nun bin ich wieder hungrig. „My Darling Clementine“ ist mir eigentlich als alte traurige Western-Ballade im Ohr. Dass zwei Musiker aus England die Zeile als Bandnamen adaptiert hatten, war mir unbekannt. Aber unbekannt reizt und was ich im Netz fand, auch. Einen Tag später sitze ich im Volksbad Buckau, habe im Kopf „unbekannt“ durch „neu“ ersetzt und ich bin neugierig auf die Begegnung mit „The Other Half“, wie man sie auch nennt. Die kamen direkt aus den Niederlanden, um ihr einziges Konzert in Deutschland, zumindest in diesem Jahr, zu spielen. Ich mag musikalisches Neuland. Gleich der erste Song, ein langsamer Walzer, haut mich um. „Unhappily Ever After“ ist die klassische Country-Ballade. Zweistimmig traurig, so als würden June & Johnny hier singen, schlängelt sich eine traumhaft schöne Melodie in meine Ohren. Ich kann doch nicht gleich in den ersten drei Minuten vor lauter Rührung Tränen kullern lassen?! Doch als die beiden „King Of The Carnival“ hinterher schieben, sind alle Dämme gebrochen. Ohne die Platte mit diesen beiden Liedern werde ich nicht nach Hause fahren! Zwei mir völlig unbekannter Musiker, Michael Weston und Lou Dalgleish, beide übrigens, wie June und Johnny auch, ein Ehepaar, gelingt es auf Anhieb, meine Seele und mein Herz mit eigenen Songs zu berühren. Die Begeisterung im kleinen Saal ist groß, denn mit „No Heart In The Heartche“ bleibt das Level in traumwandlerischer Höhe. Das wird sich im Laufe des Abends selbst dann nicht ändern, wenn sie Songideen anderer aufgreifen und aus den Geschichten dahinter, wie im Falle von „Stand By Your Man“ (Tammy Wynette) , mit „No Matter What Tammy Said“, einen neuen Song erschaffen. Das ist schlicht großartig. Beide bringen die große Liebe gleich neben Schmerz und neuen Desillusionen in ihren Songs, manchmal augenzwinkernd, dann wieder bissig, unter. So etwas heute noch erleben zu dürfen, empfinde ich in diesen Minuten als Geschenk. Als ihre Tochter Mabel das Trio komplettiert, könnte man meinen, die berühmten drei Stimme zu hören: Parton, Harris & Ronstadt in Perfektion. Es tut mir gut, auf blauen Dunst hierher gefahren zu sein, statt auf den nächsten „Ostrock“-Aufguss zu warten. Sänger, Gitarrist und Komponist Michael Weston gibt sich dann als Bewunderer von Elvis Costello zu erkennen. Eigene Versionen von „Indoor Fireworks“, „I Felt The Chill Before The Winter Came“ oder „Dark End Of The Street“ lassen eine andere, beinahe düstere Country-Stimmung, aufkommen, die tief unter die Haut geht. My Darling Clementine vermitteln trotz aller bitterer Ironie eine Menge Lust auf Leben in all seinen Facetten. Darunter auch die Ballade „Weight Of The Wolrd“ (Gewicht der Welt) aus Michael’s Solo-Scheibe „The Struggle“. Der Mann ist großartig, in seiner Heimat England sogar ein Star und hier steht er keine zwei Meter vor mir, zum Anfassen nahe, und zeigt, wie es auch geht. In solchen Songs klingt die Stimmung der dunklen Jahreszeit noch ein wenig nach, etwas düster zwar, aber mit Wärme durchzogen. Als sich der Abend seinem Ende zu neigt, wird’s mit „The Crooked Line“ noch einmal mehrstimmig. Fast möchte man aufspringen und swingend seine Knochen schütteln. Mich faszinieren diese drei Stimmen und die Leichtigkeit, die in ihnen schwingt. Eine Textzeile wird mir im Ohren bleiben: „Think back to that day when we first met in spring“. Die werde ich wohl nicht mehr vergessen, zumal der Song auf dem Album „The Reconciliation?“ enthalten ist. My Darling Clementine haben mir tatsächlich den Start in den kommenden Frühling erleichtert. Den Rest Trägheit haben sie mir auch gleich aus dem Kopf in die Nacht geblasen und neue Eindrücke mit auf den Weg gegeben. Ich bin glücklich, endlich wieder Live-Musik aus einem meiner bevorzugten Genres gehört zu haben. Außerdem nehme ich ein signiertes Album und das glückliche Lächeln von Mabel mit in mein Leben. DANKE für diesen Abend, My Darling Clementine. Vielleicht gibt es irgendwann, und in einem anderen Frieden, ein Wiedersehen.